Handwerk & Brauchtum
Über Sinn und Inhalt von Brauchtum gibt es meist unterschiedliche Meinungen. Aber grundsätzlich hat der Mensch im Laufe der Geschichte nur das überliefert und weitergegeben, was für das gemeinsame Überleben wichtig war. Insbesondere das Handwerk Jagd war für den Menschen seit der Steinzeit überlebenswichtig und wurde entsprechend von Generation zu Generation weitergegeben – inklusive seiner Riten und Bräuche, die Respekt für Natur und Wildtier ausdrücken. Dazu zählen auch die Weidgerechtigkeit und die nachhaltige Ausübung der Jagd, der Jägerschlag und Brüche, allen voran der letzte Bissen. So entwickelte sich die Jagd über lange Zeit als Zusammenspiel von Handwerk und Brauchtum. Dieses hochzuhalten und zu leben ist eine wichtige Aufgabe des NÖ Jagdverbandes.
Weidgerechtigkeit
Weidgerechtigkeit bedeutet, in der Ausübung des Handwerks Jagd die weidmännischen Pflichten zu achten und dabei eine ethische Grundhaltung einzunehmen. Parallel zu den gesetzlichen Vorschriften fungiert die Weidgerechtigkeit als eine Art jagdliches Moralgesetz, das über Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsen ist. Für eine Jägerin oder einen Jäger heißt das vor allem,
- Verantwortung für die Natur zu übernehmen,
- den Lebensraum und die Wildtiere zu hegen und ihnen mit Achtung und Respekt zu begegnen,
- Wildtiere möglichst rasch und schmerzfrei zu erlegen,
- ökologisch vertretbares Jagen mit einer sinnvollen und sorgfältigen Verwertung der Beute,
- die Pflege des jagdlichen Brauchtums.
Diesen ethischen Grundforderungen fühlen sich die Mitglieder des NÖ Jagdverbandes zutiefst verpflichtet. Weidgerechte Jägerinnen und Jäger erkennt man somit an ihrem verantwortungsbewussten Verhalten vor, während und nach der Jagd sowie an ihrer inneren Einstellung zu Natur, Tierwelt und Mitmenschen.
Hubertussage
Der heilige Hubertus ist der Schutzpatron der Jägerschaft und wurde der Legende nach im Jahr 655 in der Nähe von Toulouse geboren. Er war glücklich verheiratet, genoss in der Gesellschaft Ansehen und bekleidete ein hohes, würdevolles Amt. Hubertus lebte ein segensreiches und zufriedenes Leben.
Eines Tages starb jedoch seine geliebte Frau und Hubertus stürzte in tiefe Trauer und Wut – sein Glaube an Gott und das Gute in der Welt war erschüttert. Von da an suchte er in der Jagd Ablenkung von seinem Schmerz und Ventil für seine Wut gleichermaßen. Auch an Sonntagen, als alle Gläubigen in der Kirche waren, ritt er mit seinem Bogen in die Wälder, um zu jagen. Dabei erspähte er eines Tages einen prächtigen weißen Hirsch. Tagelang hetzte er das majestätische Tier, wobei er sich immer tiefer in die Wälder verirrte. Schließlich aber schaffte es Hubertus, den erschöpften Hirsch ins Visier zu nehmen. Doch bevor er den tödlichen Pfeil abfeuern konnte, geschah das Wunder: Ein hell leuchtendes Kreuz erschien zwischen den mächtigen Geweihstangen. In diesem Moment vernahm er eine mahnende Stimme: „Hubertus, warum jagst du mir nach, während die Christenheit betet?“
Es war jener Tag, an dem Hubertus beschloss, sein Leben zu ändern und auf den Pfad der Rechtmäßigkeit und des Glaubens zurückzukehren. Er legte all seine Ämter zurück, verteilte seinen Besitz an die Ärmsten und widmete sein Leben fortan nur noch dem Herrn. Später ließ er sich zum Priester weihen und pilgerte nach Rom, 700 wurde er zum Bischof von Maastricht geweiht. Er starb mit 77 Jahren. Im Jahr 993 wurde er heiliggesprochen.
Befasst man sich mit der tieferen Botschaft dieser Legende, so ist der weiße Hirsch mit dem leuchtenden Kreuz Sinnbild für die Heiligkeit allen Lebens. Die Mitglieder des NÖ Jagdverbandes achten und respektieren daher das Leben, indem sie das Handwerk Jagd weidgerecht ausüben. Oberstes Gebot dabei ist der tief empfundene Respekt vor Tier und Natur.
Am 3. November wird der Tag des heiligen Hubertus gefeiert. Jägerinnen und Jäger haben ihm zu Ehren im ganzen Land viele Denkmäler – vom einfachen Bildbaum bis zur Hubertuskapelle – errichtet. An diesen Orten werden rund um den 3. November herum die Hubertusmessen gefeiert. Dabei bedankt sich die Jägerschaft für das Jagdjahr und ehrt ihren Heiligen.
Zum Jäger schlagen
Der Jägerschlag ist ein Ritual, bei dem Jungjägerinnen und Jungjäger nach Bestehen der Jagdprüfung oder nach Erlegen des ersten Stücks Wild symbolisch in den Kreis der Jägerschaft aufgenommen werden. Das geschieht zumeist im Rahmen einer würdevollen Zeremonie, in der dem Absolventen beziehungsweise dem erfolgreichen Schützen mit dem Hirschfänger oder Weideblatt dreimal leicht auf die rechte Schulter geschlagen wird.
Dabei wird folgender zum Beispiel Spruch gesagt:
Der erste Schlag soll dich zum Jäger weihen.
Der zweite Schlag soll dir die Kraft verleihen,
zu üben stets das Rechte.
Der dritte Schlag soll dich verpflichten,
nie auf die Jägerehre zu verzichten.
Nach dem ersten erlegten Stück Wild ist es Brauch, dem Schützen im Zuge des Jägerschlags einen Bruch oder ein Geschenk zu überreichen.
Brüche
Brüche sind wertvoller Bestandteil des jagdlichen Brauchtums. Bei Brüchen handelt es sich um Zweige, die von Bäumen abgebrochen und als Hinweis-Zeichen beispielsweise am Jägerhut, am erlegten Tier oder am Waldboden platziert werden. Auch heute noch sind Bruchzeichen bei der Jagd wichtige Signale zur Orientierung, weshalb alle Jägerinnen und Jäger die wichtigsten Brüche kennen.
Der Beutebruch wird rechts an den Hut gesteckt. Er ist Zeichen dafür, dass die Jägerin oder der Jäger Schalenwild oder andere eher selten zur Strecke kommenden Wildarten erlegt hat. Bei einer Einzeljagd brechen sie sich den Bruch selbst. Bei einer Gesellschaftsjagd überreicht der Einladende oder Jagdleiter den Bruch. Der Bruch bleibt einen Tag lang am Hut. Es darf immer nur ein Bruch getragen werden.
Der Standesbruch gilt als Zunftzeichen der Jägerinnen und Jäger und wird links am Hut getragen. So beispielsweise bei Anlässen, wie dem Bezirksjägertag, beim Jägerball, zu einer Jägerhochzeit, bei Hubertusmessen oder auch bei der Teilnahme an einem Jägerbegräbnis.
Der letzte Bissen wird dem erlegten Wild in den Äser, Wurf oder Schnabel gesteckt. So unterstreichen Jägerin und Jäger ihre Achtung vor dem Wild. Eng damit verbunden ist auch das Innehalten vor dem erlegten Wild als Zeichen des Respekts und der tief empfundenen Dankbarkeit.
Ein Inbesitznahmebruch wird auf das gestreckte Wild gelegt. Das geschieht, wenn sich die Jägerin oder der Jäger vor dessen Versorgung für kurze Zeit entfernen muss.
Anschussbrüche werden vom Schützen zur Erleichterung der Nachsuche sichtbar an jener Stelle in den Boden gesteckt, an dem das Wild beschossen wurde. Ein Fährtenbruch markiert die Fluchtrichtung des Wildes.
Bei einer erfolgreichen Nachsuche dürfen auch die vierbeinigen Unterstützer nicht leer ausgehen. Der Bruch für den Hund wird in dem Fall vom Beutebruch gebrochen und dem Hund ans Halsband gesteckt.
Warnbrüche dienen der Verständigung unter den Jägerinnen und Jägern und markieren beispielsweise eine schadhafte Leitersprosse an einem Hochstand.
Welche Hölzer taugen zum Bruch?
Eiche, Erle, Kiefer, Fichte, Tanne, Latsche, Zirbe, Bergwacholder oder Almrausch gelten als bruchgerechte Holzarten. Manchmal nimmt man bei der Auswahl des Holzes besondere Rücksicht auf den Lebensraum des erlegten Wildes. Somit dürfen in reinen Lärchen- oder Buchenwäldern durchaus auch diese Baumarten als Bruch dienen. Genauso wird in reinen Feldrevieren die Ähre als Bruch verwendet.
Bildhinweise: (c) Christoph Burgstaller (Jäger), Martin Grasberger (Brüche)