Müssen uns einbringen und aufklären
Experten bei 3. Rundem Tisch „Lebensraum“: Jagd, Land- und Forstwirtschaft müssen aktiv in Umsetzung der Renaturierungs-Verordnung einwirken, informieren und Lebensräume weiter verbessern.
„Das Verhalten jedes einzelnen wirkt sich auf das Wildtierverhalten und die Lebensräume aus. Die Jagd, Land- und Forstwirtschaft wollen daher als Lebensraumpartner Naturnutzer informieren, aber auch die Ansprüche der unterschiedlichen Nutzer in den diversen Gesetzen verankern. So sollen die jeweiligen Ziele gemeinsam und somit auch leichter erreicht werden“, betonten Landesjägermeister Josef Pröll und Geschäftsführer Leopold Obermair beim 3. Runden Tisch „Lebensraum“ des NÖ Jagdverbands, der im Rahmen des Schwerpunkts „Zukunft.Lebensraum“ in der Landwirtschaftlichen Fachschule Obersiebenbrunn stattfand. Nach einem Expertenkongress im April und zwei Runden Tischen zu den Themen „Wild“ und „Mensch“ mit Experten von diversen Nutzergruppen, standen diesmal politische Initiativen und eine rechtliche Umsetzung im Fokus. Mit dem NÖ Jagdverband diskutierten Thomas Neudorfer und Johannes Schima (beide BML), NR-Abg. und Bundesbäuerin Irene Neumann-Hartberger, LK Österreich-Generalsekretär Ferdinand Lembacher, Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur und Fritz Reimoser (ehemals Universität für Bodenkultur und Veterinärmedizinische Universität Wien). Sie fordern u.a. einen intensiven Austausch der Natur-Nutzergruppen, eine Naturbildung in der Pflichtschule, eine fachübergreifende Ausbildung im land- und forstwirtschaftlichen Bereich, ein Bremsen der Bodenversiegelung und den Abbau von Barrieren bei Lebensraumkorridoren sowie die Stärkung regionaler Prozesse auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Pröll: Alle tragen zu guten Wildtier-Lebensräumen bei
„Die Freizeitnutzung nimmt seit der Corona-Pandemie und den Lockdowns zu. Das und der Klimawandel verändern die Lebensräume und das Wildtierverhalten massiv. Wir müssen daher gegensteuern. Dabei nehmen wir als Jägerinnen und Jäger die Position der Wildtiere ein, denn ihnen sind wir verpflichtet. Aber wir haben trotzdem Verständnis für die Ansprüche anderer“, so Landesjägermeister Josef Pröll. Das Wild braucht attraktive, vielfältige und strukturierte Lebensräume, deren Tragfähigkeit mit den Populationen der Wildtiere übereinstimmen – das bedarf der Regulierung und Lenkung der Bestände, aber auch einer Anpassung menschlichen Verhaltens, so Pröll: „Ruhezonen sind ein wichtiger Schritt gegen undurchdachte Freizeitnutzung in der Natur, denn die Natur ist das Wohnzimmer des Wildes. Es braucht ein durchdachtes Angebot zur Steuerung der Freizeitnutzung, aber im Gegenzug auch Bereiche mit Verboten, Wege- und Leinengeboten für Hunde, an welche sich alle Nutzergruppen halten und die bei Missachtung auch sanktionierbar sind.“
Auch die Bejagung muss weiterhin entsprechend abgestimmt werden. Im Fokus steht die richtige Verteilung des Wildes im Lebensraum und nicht nur die Bestandesregulierung. Es braucht daher eine revierübergreifende Planung, eine entsprechende Kommunikation und Abstimmung der Land- und Forstwirtschaft mit den Jägerinnen und Jägern sowie die Berücksichtigung aller Wildtierarten. Das ist die Grundlage für ausgeglichene Wildtierdichten und -verteilungen, die mit der Tragfähigkeit von Lebensräumen übereinstimmen.
Wildschäden vermeiden statt abgelten
Auch waldbauliche Fehler sollten unbedingt vermieden werden, um Wildschäden zu verhindern. Aktuell haften nur Jägerinnen und Jäger für Wildschäden, obwohl alle Lebensraumnutzer mit ihrem Verhalten Auswirkungen auf das Wildschadensrisiko haben. Hier bedarf es eines Umdenkens, denn es geht letzten Endes um eine Vermeidung und nicht Abgeltung von Schäden. Ein intensiverer Austausch mit Jägerinnen und Jäger soll das unterstützen, die auf verändertes Wildtierverhalten hinweisen und bei Maßnahmen unterstützen können.
Die Experten betonen dazu: Die Gestaltung und Erhaltung von Lebensräumen muss von einer sektoralen Betrachtung zu einer integrativen und integralen kommen, bei der die Auswirkungen und Anforderungen aller Nutzergruppen berücksichtigt werden – und das auf allen Ebenen von der Bundes- und Landesregierung über Nutzergruppen bis hin zum Individuum bzw. auf regionaler und lokaler Ebene. Die Experten des Runden Tischs „Lebensraum“ wollen dazu eine gegenseitige Berücksichtigung von Zielen und Ansprüchen in den jeweiligen Gesetzen (Jagd, Land- und Forstwirtschaft, Raumplanung, Tourismus) erreichen sowie gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die Lebensräume klimafit und wildgeeignet zu gestalten.
Land- und Forstwirtschaft sowie die Jagd sind als Gestalter der Biodiversität aber auch gefordert, sich bei den Verhandlungen über die Umsetzung der Renaturierungs-Verordnung einzubringen. „Gemeinsam haben wir bereits vieles erreicht. Die Maßnahmen aus GAP und ÖPUL haben bereits zu einer deutlichen Verbesserung insbesondere für das Niederwild beigetragen, was sich in steigenden Besätzen beim Rebhuhn widerspiegelt. Es ist eine sensible Wildtierart und damit ein wichtiger Indikator für die Biotopqualität“, so Pröll. Das gilt es mit Bedacht und wildgeeignet auszubauen, etwa, indem die Artenvielfalt zu einem Produktionsziel gemacht wird.
Die Lebensraumpartner müssen zudem auf den Einfluss der Freizeitnutzung auf die Biodiversität aufmerksam machen. Dazu sollte eine Informationskampagne aufgesetzt werden, um auf die Auswirkungen der Freizeitnutzer hinzuweisen und ihnen entgegenzuwirken. Sie sollte bestehende Kanäle und Publikationen nutzen, aber auch durch neue Ideen ergänzt werden. Vor allem die Agrar- und Waldwerkstätten sowie außerschulische Lernorte für Natur- und Jagdwissen sollten erweitert und Publikationen von Nutzergruppen gegenseitig für das Artikulieren von Ansprüchen und Interessen genutzt werden. Damit wird das Verständnis füreinander erhöht und die Umsetzung gemeinsamer Projekte gefördert.